Tina-Double mit echter Stimmgewalt
Südwest Presse
Am 31.01.2023
Tribut Im Haller Neubau-Saal kommt Julie Mayaya der Rock-Ikone Tina Turner in vielerlei Hinsicht verblüffend nahe.
Schwäbisch Hall. Wenn Tina Turner mit rauer Stimme „Proud Mary“ oder „Private Dancer“ sang, lagen ihr die Fans zu Füßen. Im vollbesetzten Neubau-Saal war zu erleben, dass das noch immer so geschehen kann, selbst wenn da eine ganz andere Person auf der Bühne steht. 2009 hatte sich die echte Tina Turner endgültig von ihrem Publikum verabschiedet. Seither boomen Shows wie „Tina – The Ultimate Tribute“ der Reset Productions aus Gera, die am Samstag in Hall gastierte.
Perückenmähne und Pony-Step Eine optische Ähnlichkeit der Kopien mit dem Original ist kein Problem mehr, seit Turner im Februar 2022 vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe mit ihrer Klage gegen einen Konzertveranstalter scheiterte. Dessen TinaDouble konnte auf Plakaten den Eindruck erwecken, der Superstar trete persönlich auf.
Die „Haller Tina“ weist immerhin die ikonische Silhouette ihres Vorbilds auf und hat sich zudem tief in dessen Persönlichkeit eingearbeitet: Sie zeigt die zackige Bewegung, mit der sie die zottelige Perückenmähne schüttelt, die trotzig geschürzten Lippen, den berühmten Pony-Step, den sogar Mick Jagger kopierte, mit breitem Südstaaten-Akzent und in hautengen Glitzerklamotten. Nur die Stimme kann sich Julie Mayaya nicht abgeguckt haben. Die ist der 37-jährigen Rumänin mit kongolesischen Wurzeln tatsächlich gegeben und hat sie 2012 in ihrer Heimat zur ersten weiblichen Siegerin der Casting-Show „The Voice“ gemacht.
Spätestens beim Megahit „Nutbush City Limits“, den mindestens eine Fan-Generation zu Vergleichszwecken im Ohr hat, wird deutlich, wie verblüffend nahe Mayaya Turner kommen kann.
„Tina-Julie“ hat Weggefährten mitgebracht. Auch ihren gewalttätigen Ex-Ehemann Ike Turner (Rushand Chambers), mit dem sie zwar im Duett singt, ihm aber – Absicht oder nicht? – physisch nie zu nahe kommt. Der deutsche Sänger Daniel Splitt assistiert ihr als Eros Ramazzotti und Bryan Adams. Moderator Niels Bartels erzählt zwischendrin die Lebensgeschichte der 1939 als Anna Mae Bullock geborenen Tina Turner, verrät dabei allerdings für viele wohl nichts wirklich Neues.
Zwei Stunden und acht Kostümwechsel lang liefern Mayaya, ihre Band und sechs Tänzerinnen unter vollem Körpereinsatz eine mitreißende Show ab. Die Zuschauer verharren klappsesselbedingt weitgehend unbeweglich. Erst zum Schluss, bei „Simply The Best“, springen praktisch alle auf, und die erste Reihe nutzt den knappen Platz vor der Bühne zum gepflegten Abrocken. Der eine oder andere dürfte sich heimlich wünschen, die braven Sitzreihen würden anlässlich solch bewegender Konzerte vorübergehend aus dem Neubau-Saal verbannt – ganz im Sinne des Tina-Hits und Untertitels dieser Show: Break every rule.
Text und Bilder von Beatrice Schnelle veröffentlicht in der Südwest Presse vom 31.01.2023.